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Der Mann, der Saurier verkauft
Funde aus grauer Vorzeit gehen über den Internet-Ladentisch – Ein winziger Käfer gerät zur wissenschaftlichen Sensation
DT vom 01.07.2004

Von Franz Weser

Mainz (DT) Der Zahn eines eiszeitlichen Höhlenbären oder Mammuts, das Ei oder der Fußabdruck eines Dinosauriers, das Skelett eines winzigen Amphibiums oder Reptils oder der Prachtfarn aus der Steinkohlenzeit – das sind Objekte, die nicht nur das Herz von Fossiliensammlern höher schlagen lassen. Denn jeder dieser Funde aus der Urzeit ist ein Unikat aus fernen Zeiten, ein Blickfang für Besucher und manchmal sogar eine gute Geldanlage. Kein Wunder, dass Fossilien aus aller Welt immer häufiger Vitrinen und Wände zieren.

Erst Hobby-Geologe,dann Fossilienhändler

Vielleicht werden Funde aus grauer Vorzeit auch deshalb zum Faszinosum, weil Filmfabriken die Welt der Dinosaurier nicht zur Freude der Kinder in gewagten Computersimulationen auferstehen lassen. Saurier – und seien sie auch nur virtueller Art – sind in: Sie regen die Phantasie an. Fossilien aus der Zeit der Dinosaurier (zweihundertdreißig bis fünfundsechzig Millionen Jahre) sind von fast unergründlichen Geheimnissen umschlossen.

Ernst Probst ist ein Mann, der sich seit vielen Jahren der Urzeit verschrieben hat: zunächst als Hobby-Geologe, dann als Fossilienhändler. Probst, der sich als gelernter Journalist mit mehreren Büchern über prähistorische Themen in der Fachwelt einen Namen gemacht hat, lebt beispielhaft vor, dass gerade Krisenzeiten der Kreativität einen gewaltigen Schub verleihen können. Nachdem er dem von Auflagenschwund gebeutelten Zeitungsgewerbe den Rücken gekehrt hatte, entdeckte er die Fossilien als neuen Lebensinhalt und -unterhalt.

In einer seiner Vitrinen lag ein fossiler Fisch aus der bekannten Grube Messel, etwa fünfzig Millionen Jahre alt, dessen schuppiger Körper immer wieder schnell verstaubte und der schlecht zu reinigen war. Ernst Probst bot das betagte Exemplar im Internet-Aktionshaus eBay an und verkaufte es ungewöhnlich schnell. Daraufhin verkaufte er einen zweiten Fisch aus Messel. Danach kamen immer häufiger Anfragen nach weiteren Fischen. Diese waren dem Sammler aber ausgegangen, so dass er beschloss, Nachschub zu besorgen und ebenso erfolgreich anzubieten.

Das Suchen und Bergen von Urzeit-Tieren und –Pflanzen ist heute schwieriger denn je zuvor. In manchen Gebieten gelten strenge gesetzliche Vorschriften, die das Graben nach Fossilien verbieten. Damit soll verhindert werden, dass wertvolle Objekte unsachgemäß geborgen und behandelt sowie der Wissenschaft vorenthalten werden. Und wo das Sammeln noch erlaubt ist, sind die Fundstätten nicht selten bereits erschöpft.

Aber auch der Kauf von Fossilien hat seine Tücken, gibt es doch unter Sammlern und Händlern genug schwarze Schafe. „Vor allem beim Ersteigern im Internet muss man darauf achten, mit wem man es zu tun hat“, warnt Ernst Probst, der mehrere virtuelle Shops betreibt. Er sei selbst schon auf einen Anbieter aus den Vereinigten Staaten hereingefallen, dem er den Kaufpreis für den Schädel einer Säbelzahnkatze schickte, aber das Prachtstück bis heute nicht erhalten hat.

Da gebe es nicht wenige, die auf den schnellen Euro oder Dollar aus sind. Sie verkaufen zwar Fossilien, wissen aber nicht, um was es sich handelt. Kürzlich verkaufte ein Laie im Internet ein Fossil aus einer Wohnungsauflösung, das sich als besonders wertvoller Mammutzahn entpuppte. Manche Laien auf diesem Gebiet wissen auch nicht, ob sie Originale oder Kopien anbieten. Probst sagt dazu: „Mich wies ein Wissenschaftler darauf hin, dass eine fossile Libelle aus dem Fundgebiet Solnhofen (hundertfünfzig Millionen Jahre alt) von einer erst kürzlich entdeckten neuen Art stammt, von der weltweit bisher nur sieben Exemplare bekannt sind. Meine Libelle war das siebte.“

Bei Internetauktionen achtet Probst darauf, dass er nur von Verkäufern mit möglichst vielen positiven Bewertungen etwas ersteigert. In solchen Bewertungen kann man nachlesen, ob die Ware tadellos war, ob sie sorgfältig verpackt und schnell versandt wurde. Heißt es dort, dass der Anbieter keine Fragen beantwortet, dann sollten alle Alarmglocken schrillen.

Probst rät allen Interessenten, vor einem Gebot beim Verkäufer zu fragen, ob das Objekt der Begierde unversehrt oder aber repariert worden ist. Sehr oft nämlich werde verschwiegen, dass ein Saurier zerbrochen war und geschickt zusammengeklebt wurde. Es gebe gar so genannte „Künstler“, die bei Versteinerungen etwas dazumalen, wie den Flügel einer fossilen Libelle, oder die aus Teilen verschiedener Funde ein Tier zusammenfügen.

Wer Fossilien als Wertobjekte betrachtet und später mit Gewinn wieder verkaufen will, sollte noch etwas anderes bedenken. Die Verkaufschancen steigen, wenn es sich um ein bekanntes Fundgebiet handelt wie Holzmaden, Bundenbach oder Solnhofen, um eine seltene Gattung beziehungsweise Art oder um ein besonders großes und ungewöhnlich gut erhaltenes Exemplar. Auch sollte die Platte oder der Stein, auf dem sich das Fossil befindet, schön geformt sein. Eine hundertfünfzig Millionen Jahre alte Heuschrecke aus Solnhofen beispielsweise werde auch in den kommenden Jahren im Gegensatz zur Aktie nie ihren Wert verlieren – im Gegenteil.

Glücksfund: Ein jüngererBruder des Archaeopterix

Probst selbst, in dessen Arbeitszimmer sich die Fossilien stapeln, ist besonders stolz auf einen etwa dreißig Zentimeter langen Vogel aus der Kreidezeit vor etwa hundertvierzig Millionen Jahren. Die Augen des leidenschaftlichen Sammlers beginnen zu leuchten, wenn er erzählt, dass sein Vogel „nur“ etwa zehn Millionen Jahre jünger ist als der Urvogel Archaeopterix aus Bayern, der vor hundertfünfzig Millionen Jahre in der Welt der Saurier lebte. Bei dem Prachtexemplar von Ernst Probst sind noch deutlich Zähne im Schnabel zu erkennen – Merkmale von Dinosauriern.

Und dann berichtet Ernst Probst von einer schier unglaublichen Geschichte. Der italienische Insektenforscher Dr. Francesco Vitali aus Genua entdeckte eine bisher unbekannte fossile Art der Bockkäfer. Im Internet hatte der Forscher von Probst einen baltischen Bernstein gekauft. Für fünfzig Euro ging das fossile Baumharz, das den vierzig Millionen Jahre alten Käfer umschloss, „über den Ladentisch“. In Genua angekommen, stellte Dr. Vitali fest, dass das mit bloßem Auge kaum sichtbare sechs Millimeter große Tierchen zu einer heute nur noch in Japan und im Osten Sibiriens verbreiteten Gattung gehört.

Die Zufalls-Entdeckung wurde in der französischen Fachzeitschrift „Les cahiers Magellanes“ beschrieben und als Pseudosieversia europaea bezeichnet. In der Publikation wird auch der Fossilienhändler aus dem Mainzer Stadtteil Kostheim erwähnt.

Heute schmunzelt Ernst Probst, der lieber mit Sauriern handelt, über diese Geschichte. Denn er hätte ein Vielfaches für das Käferchen verlangen können. So aber überwiegt der Stolz, der Wissenschaft einen Dienst erwiesen zu haben – nur sechs Millimeter klein, aber für die Fachwelt sensationell groß.


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